
Wenn man an die Nordsee denkt, kommen einem meist Wattwanderungen, Seehunde, Möwen oder Krabben in den Sinn. Kaum jemand bringt dieses eher kühl-graue Gewässer mit Haien in Verbindung. Doch tatsächlich tummeln sich auch in der Nordsee verschiedene Haiarten – viele davon völlig ungefährlich, manche kaum erforscht, einige sogar vom Aussterben bedroht. In diesem Artikel tauchen wir tief ein in die faszinierende Welt der Nordseehaie, räumen mit Mythen auf und zeigen, warum die Nordsee als Lebensraum für Haie wichtiger ist, als man denkt.
Gibt es überhaupt Haie in der Nordsee?
Ja – und zwar nicht nur eine Art, sondern gleich über ein Dutzend! Die Nordsee beherbergt Haie unterschiedlicher Größen, Lebensweisen und ökologischer Funktionen. Anders als ihre tropischen Verwandten, sind diese Haie jedoch eher unauffällig, scheu und an das gemäßigte Klima angepasst.
Einige der bekanntesten Haiarten der Nordsee sind:
- Kleingefleckter Katzenhai (Scyliorhinus canicula)
- Glatter Hundshai (Mustelus mustelus)
- Heringshai (Lamna nasus) – auch Lachshai genannt
- Dornhai (Squalus acanthias)
- Sechskiemerhai (Hexanchus griseus) – selten, aber spektakulär
- Großer Fetzenhai (Chimaera monstrosa) – ein echter Tiefseebewohner
Diese Arten leben in verschiedenen Tiefen und Regionen der Nordsee – vom Wattenmeer bis zu den küstennahen Tiefseegräben.
Warum sieht man sie so selten?
Haie sind in der Nordsee keine exotische Ausnahme – sie sind einfach sehr gut getarnt, leben in größeren Tiefen und meiden meist den direkten Kontakt mit dem Menschen. Außerdem handelt es sich bei den meisten Nordseehaien um nachtaktive oder bodenlebende Arten, die tagsüber kaum aktiv sind. Einige Arten, wie der Dornhai oder der Katzenhai, sind relativ klein und daher leicht zu übersehen.
Hinzu kommt: Durch jahrzehntelange Überfischung und industrielle Nutzung der Meere wurden viele Populationen stark dezimiert. Es gibt also heute schlicht weniger Haie in der Nordsee als früher – auch das trägt dazu bei, dass wir sie kaum zu Gesicht bekommen.
Lebensraum Nordsee – gar nicht so unwirtlich wie gedacht
Trotz hoher Nutzung durch Fischerei, Schifffahrt und Tourismus bietet die Nordsee vielen Haiarten geeignete Lebensbedingungen. Das Wasser ist zwar kühler als in tropischen Regionen, doch einige Haiarten sind perfekt an diese Temperaturen angepasst.
Besonders in tieferen Zonen und im Bereich des Ärmelkanals finden Haie ausreichend Nahrung: Heringe, Sandaale, Krebse, Tintenfische und kleinere Fische. Auch das Watt bietet reichlich Beute für kleinere Bodenhaie.
Viele Haiarten nutzen die Nordsee sogar als Kinderstube: In geschützten, flacheren Regionen legen sie ihre Eier ab – z. B. in den Seegraswiesen oder an steinigen Küstenabschnitten.
Haie in der deutschen Nordsee
In deutschen Hoheitsgewässern sind vor allem folgende Arten heimisch:
- Kleingefleckter Katzenhai: Der häufigste Hai unserer Region, kaum länger als ein Meter, ungefährlich und nachtaktiv. Er lebt am Meeresgrund und ernährt sich von kleinen Fischen, Krebsen und Weichtieren.
- Dornhai: Einst häufig, heute stark gefährdet. Der Dornhai ist etwas größer, trägt einen giftigen Dorn an seiner Rückenflosse und wird dennoch nicht als gefährlich für den Menschen eingestuft.
- Hundshaie: Vor allem der Glatthai ist vereinzelt auch in deutschen Gewässern zu finden. Er ist schlank, elegant und lebt bevorzugt in Gruppen.
- Heringshai: Dieser schnelle Schwimmer erinnert in Form und Jagdverhalten an den Weißen Hai – er ist allerdings seltener geworden und bevorzugt offene Gewässer.
Gefahr für Menschen? Eher umgekehrt!
Kein einziger dokumentierter Haiangriff auf Menschen in der Nordsee – das ist die eindrucksvolle Bilanz seit Beginn der Aufzeichnungen. Die hier lebenden Arten sind scheu und haben keinen Grund, dem Menschen zu nahe zu kommen. Selbst größere Arten wie der Heringshai gehen dem Menschen konsequent aus dem Weg.
Viel bedrohlicher ist der Mensch für die Haie: Durch Schleppnetze, Beifang und Meeresverschmutzung geraten sie immer stärker unter Druck. Besonders dramatisch ist dies beim Dornhai, dessen Bestände seit Jahrzehnten rückläufig sind. Auch die Zerstörung von Laichplätzen durch Offshore-Bauten, Sandentnahmen und Schiffsverkehr hat ihre Spuren hinterlassen.
Haie im Jahresverlauf – saisonale Wanderer
Einige Haiarten sind ganzjährig in der Nordsee präsent, andere kommen nur saisonal vorbei. Der Heringshai beispielsweise wandert im Sommer Richtung Norden, um den Heringenschwärmen zu folgen. Auch Katzenhaie unternehmen kleine Wanderungen innerhalb der Nordsee, um sich fortzupflanzen oder neue Jagdgründe zu erschließen.
Je nach Wassertemperatur, Salzgehalt und Strömung verändern Haie ihre Routen. Neue Forschungsmethoden wie Satelliten-Tags helfen dabei, ihre Bewegungsmuster besser zu verstehen – und könnten auch zur besseren Regulierung der Fischerei beitragen.
Schutzprogramme für Haie – gibt es das?
Ja – allerdings sind sie in der Nordsee noch nicht ausreichend etabliert. Einige Arten, wie der Dornhai oder der Heringshai, stehen auf der Roten Liste bedrohter Tierarten. Internationale Abkommen wie das Haifangverbot der EU oder CITES (Washingtoner Artenschutzabkommen) tragen zur Erhaltung bei – doch oft mangelt es an konkreten Schutzgebieten oder Überwachungsmaßnahmen.
Die Zukunft der Haie in der Nordsee hängt davon ab, wie entschlossen Naturschutz, Forschung und Politik zusammenarbeiten. Mehr Schutz für Laichplätze, selektive Fangmethoden und bessere Aufklärung sind dringend nötig, um das sensible Gleichgewicht im Nordseeraum zu erhalten.
Fazit: Mehr Haie als gedacht – aber nicht mehr ewig?
Die Nordsee ist ein überraschend vielfältiger Lebensraum für Haie. Auch wenn die großen Jäger aus Film und Fernsehen hier nicht vorkommen, ist das Ökosystem voller faszinierender Haiarten, die eine wichtige Rolle im marinen Nahrungsnetz spielen. Der Schutz dieser Tiere ist nicht nur ein Beitrag zur Artenvielfalt, sondern auch zur Gesundheit unserer Meere.
Haie in der Nordsee sind kein Mythos – sie sind Realität. Eine stille, elegante und oft unsichtbare Realität, die es wert ist, mehr beachtet zu werden.
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